Ob organische Ursachen oder psychisch bedingt – Schwindel stört unseren aktiven Alltag und kann sehr belastend sein. Dabei ist psychogener Schwindel keine Seltenheit: Etwa 30 bis 50% aller auftretenden Schwindelsymptome sind nicht durch körperliche Beeinträchtigungen erklärbar. Auch wenn keine organischen Auslöser festzustellen sind, sind psychogene Schwindelbeschwerden keineswegs Einbildung. Leider dauert es oft sehr lange, bis die Diagnose psychogener Schwindel gestellt werden kann.
Somatoformer & psychogener Schwindel: Schwindel ohne körperliche Ursache
Angst, Stress, Schicksalsschläge, Panikattacken – Schwindel kann auch ohne eine körperliche Ursache auftreten. Der sogenannte somatoforme oder psychogene Schwindel ist psychisch bedingt, aber dessen Symptome sind deshalb nicht weniger echt oder ernst zu nehmen. Was psychogener Schwindel genau ist und was Sie dagegen tun können.
Was ist psychogener bzw. somatoformer Schwindel?
Ein wiederkehrendes, intensives Gefühl, dass alles schwankt und sich dreht, kann auch eine unangenehme Begleiterscheinung unseres Gefühlslebens sein. Denn Schwindel tritt häufig zusammen mit Anspannung, Überforderung, Ärger, Sorgen oder Angst auf. Doch bevor eindeutig von einem psychogenen Schwindel ausgegangen werden kann, müssen zunächst sämtliche Ursachen organischer Natur ausgeschlossen werden. Erst wenn feststeht, dass sowohl das Gleichgewichtsorgan im Innenohr als auch die Hirnstrukturen intakt sind und für die in der Regel starken Beschwerden keine organischen Ursachen vorliegen, kann der sogenannte somatoforme Schwindel (gr. soma = Körper) oder psychogene Schwindel in Betracht gezogen werden.
In der aktuellen Klassifikation sind diese Schwindelarten unter dem Begriff „funktioneller Schwindel“ zusammengefasst. Dabei handelt es sich im Grunde um eine ganze Reihe von Leiden, bei denen die Psyche eine wesentliche Rolle spielt. Für die Diagnosestellung reicht die Abwesenheit von organischen Ursachen allein nicht aus, sondern es sollte ein klarer psychologischer Mechanismus dahinerstehen. Gerade bei Angst und Panikattacken kommt dem Schwindel eine besondere Funktion zu: Schwindelgefühle veranlassen uns dazu, angstbesetzte Situationen zu vermeiden. Forscher haben herausgefunden, dass im menschlichen Gehirn ein enger Zusammenhang zwischen den Nervenverbindungen besteht, die bei Angstgefühlen aktiv werden und für unseren Gleichgewichtssinn zuständig sind.
Primärer & sekundärer somatoformer Schwindel
Der primäre somatoforme Schwindel wird durch psychische Belastungen ausgelöst: Angstzustände, Panikattacken, posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen. Ein sekundärer somatoformer Schwindel entwickelt sich in der Regel aus einem organisch bedingten Schwindelleiden heraus, wie zum Beispiel Morbus Menière oder einer vestibulären Migräne.
Die häufigste Form des psychogenen Schwindels
Der phobische Schwankschwindel – eine Unterform des somatoformen Schwindels – gehört zu den häufigsten Schwindelformen. Fast 15 Prozent aller Betroffenen mit Schwindelbeschwerden leiden unter diesem psychogenen Schwindel. Besonders oft tritt der phobische Schwankschwindel bei Menschen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren auf. Nicht selten geht eine organische Erkrankung mit Schwindelanfällen voraus, die den Alltag beeinträchtigt und das Gefühl von Unsicherheit entstehen lässt. Diese negativen Erfahrungen können dazu führen, dass eine regelrechte Furcht vor der nächsten Schwindelattacke entsteht, die auch nach der erfolgreichen Therapie der eigentlichen organischen Ursache bestehen bleibt. Und gerade diese Angst vor dem Schwindel kann weitere Schwindelsymptome auslösen – ein Teufelskreis, der sich aber mit zielgerichteten Maßnahmen durchbrechen lässt.
Symptome von psychogenem Schwindel
Oft ist es gar nicht so leicht psychogenen Schwindel von Schwindel mit organischen Ursachen zu unterscheiden, da sich die Symptome sehr ähneln. Psychogener Schwindel äußert sich häufig durch einen Schwankschwindel mit Stand- und Gangunsicherheiten und einer starken Fallneigung. Auch Benommenheits- und Unwirklichkeitsgefühle sowie innere Unruhe sind bei psychogenem Schwindel, der durch Angst und Panikattacken ausgelöst wird, eine typische Begleiterscheinung. Übelkeit und Erbrechen, die bei Beeinträchtigungen des Gleichgewichtssinnes auftreten können, sind bei psychisch bedingtem Schwindel eher selten.
Gerade ein Gefühl von Angst, das sich bis zur Panikattacke hochsteigern kann ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von psychogenem Schwindel. Auch wenn die Schwindelanfälle besonders häufig in bestimmten Situationen auftreten, wie auf Brücken, beim Autofahren, im Flugzeug oder bei Restaurantbesuchen können somatoforme Ursachen hinter dem Schwindel stecken.
Ursachen von psychogenem Schwindel
Wenn keine körperlichen Ursachen für den Schwindel auszumachen sind und die Symptome auf einen psychogenen Schwindel hinweisen, dann können unterschiedliche psychische Erkrankungen die Auslöser sein. Denn genau wie beim Schwindel mit organischen Ursachen ist auch der psychogene Schwindel ein Symptom und keine eigenständige Krankheit. Wichtig ist, die eigentlichen psychisch bedingten Ursachen aufzudecken, um einen passenden Therapieplan zu erarbeiten. Zu den häufigsten zählen:
Angsterkrankungen
Panikstörungen und Phobien (Soziale Phobie und Agoraphobie)
Depressive Erkrankungen
Burnout
Somatoforme Störungen
Dissoziative Störungen und Konversionsstörungen
Reaktionen auf schwere Lebensbelastungen (sogenannte Anpassungsstörungen)
Depersonalisationssyndrome
Was hilft gegen somatoformem & psychogenen Schwindel?
Bei psychogenem Schwindel kann schon allein die richtige Diagnose und die Aufklärung darüber durch den Arzt dazu beitragen, dass die Symptome als weniger bedrohlich wahrgenommen werden. Denn jetzt besteht erst einmal die Sicherheit, dass körperlich alles in Ordnung ist und keine gefährliche Krankheit dahintersteckt. Wichtig ist dann dranzubleiben, denn die Therapie von psychogenem Schwindel kann einige Zeit in Anspruch nehmen.
Den Symptomen des psychogenen Schwindels kann mit ganzheitlichen verhaltenstherapeutischen Ansätzen begegnet werden. Dazu gehören unter anderem autogenes Training zur Entspannung, Krankengymnastik, um das Balanceempfinden und den Gleichgewichtssinn zu trainieren, Sport und Bewegung, die akute Konfliktbearbeitung sowie eine unterstützende psychotherapeutische Beratung. Auch eine Selbstexposition, bei der man sich bewusst in die angstbesetzte, schwindelauslösende Situation begibt, ist ein wesentlicher Bestandteil der Verhaltenstherapie bei psychischen Erkrankungen wie Panikattacken und Angststörungen, die von Schwindel begleitet werden.